Abschluss
18. April 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Ein großes Loch klafft zwischen meinem letzten Eintrag und heute. Gestern bin ich nach drei Monaten in Chile, einem der schönsten Länder der Welt, wieder zurück gekommen. Um dem Einrosten vorzubeugen und die mühselig abgeworfenen Pfunde nicht wieder anzuheften, bin ich heute ein erstes Mal meine alte Vorbereitungsstrecke gelaufen und bin froh, wieder bei meiner Familie in Berlin zu sein.
Das nach dem Ende des Laufes durch dieses Land Funkstille herrschte, hing nicht mit dem Erdbeben zusammen, sondern ist rein privater Natur und gehört deshalb nicht in diesen Blog.
Im Prinzip ist der letzte Monat so verlaufen, wie ich es bereits angekündigt habe. Um das Land und seine Leute auf eine andere Art kennenzulernen, habe ich mich unweit von Santiago in Zúñiga / San Vicente Tagua Tagua in der 6. Region niedergelassen und von dort die Gegend erkundet. Es gibt kaum einen Ort im Umkreis von 200 Kilometer, den ich nicht gehend, skatend oder per Rad besuchte. Da ich weiterhin mit meinen Rollern unterwegs war, wurde ich bald bekannt wie ein bunter Hund. Als Gringo wird man sowieso ständig angestarrt, doch als Batinero = stöckeschwingender Rollerfahrer war ich der absolute Exot. Kinder wollten mich und meine Schuhe ständig anfassen. Die Taxifahrer fragten mich, wenn ich mal einfach nur gehend unterwegs war, wo denn meine Inliner wären. Ab und zu auch per Tandem unterwegs, wurde ich zur örtlichen Sehenswürdigkeit.
Neben der Erkundung dieser sehr konservativen, von Land-/,Forstwirtschaft und Weinanbau geprägten Umgebung, die zum Teil trotz Erdbeben ältere Gebäude im Kolonialstil beheimatet, war ich in vielen Museen sowie im chilenischen Filmarchiv von Santiago , um mich mit den Auswirkungen und der Zeit nach dem Militärputsch von 1973 bis 1990 zu beschäftigen und hatte das Glück, auch immer wieder auf Leute zu treffen, die mit der Filmerei zu tun haben.
Ob sich daraus Stoff für einen Dokumentarfilm ergibt, wird sich in der Zukunft zeigen. Unabhängig davon gibt es soviel, was in diesem Land anders tickt und deshalb Anlass zum Nachdenken gibt.
Man wollte mich nicht nach Deutschland zurückfahren lassen, ohne Valparaiso gesehen zu haben. Es hat sich gelohnt. Mit Rodrigo und Sebastian hatten wir einen wunderschönen Tag am Meer. Hier fand ich eine eigenartige Stadt, die durch internatioxnale Zuwanderung eine besondere Note hat und endlich die Architekturvielfalt, die ich andernorts vermisste.
Meine Freunde in Santiago hatten mich in Chiloè gefragt, was das Kreuz sei, dass ich auf meiner Reise durch Chile tragen würde. Darauf habe ich so schnell nicht antworten können. Später ist mir einiges dazu eingefallen. Ein Punkt aber, der für mich nach diesen drei Monaten bleibt, ist, mit mehr Dankbarkeit, die Dinge anzunehmen, die für uns so selbstverständlich sind und sich weniger Gedanken über das Morgen zu machen, sondern viel mehr Freude am Heute zu haben. An die chilenische Unpünktlichkeit werde ich mich jedoch wohl kaum gewöhnen können.
Meine Kamera, die sich als wirklich handliches Filmwerkzeug bewiesen hat, ist mir am allerletzten Tag kaputt gegangen. In Isla de la Negra im wunderschönen Haus des Schrifstellers Pablo Neruda ist sie mir aus der Hand gerutscht. Gott sei Dank ist den Bildern nichts passiert.
Ich will mir das Material noch einmal in Ruhe anschauen und daraus die schönsten Fotos in einem Dia-Vortrag zusammenstellen. Mal sehen, was daraus wird. Sobald ich die Zeit gefunden habe um etwas zu zeigen, melde ich mich ein letztes Mal auf diesem Blog, der damit sein Ende findet.
Ich bedanke mich bei denen, die mir gedanklich, per Mail, Chat oder Skype die Treue gehalten haben sowie bei allen, die hier mitgelesen haben.
Nach einigen Kilometern in den Beinen bleibt mir nur ein letzter Rat.
Verlernt das Laufen nicht!
Wege sind manchmal kürzer als man annimmt. Die Welt in einer anderen Geschwindigkeit wahrzunehmen, lässt aus der Zeit, die man scheinbar verliert, Zeit und Ruhe zum Nachdenken entstehen und gesünder ist es allemal.
Liebe Grüße
Ralf 100M